Jahrelang beging Mario Forster Straftaten für die Bandidos - als V-Mann im Auftrag des Staates (2024)

Jahrelang beging Mario Forster Straftaten für die Bandidos - als V-Mann im Auftrag des Staates (1)

von Johannes Röhrig

Jahrelang beging Mario Forster Straftaten für die Bandidos – als V-Mann im Auftrag des Staates. Nun erwarten sechs LKA-Beamte ihr Urteil. Einblicke in das Schattenreich der verdeckten Ermittlung.

Lange mochte Mario Forster* niemand Glauben schenken. Und es stimmt, die Geschichte klingt abenteuerlich: Er sei als V-Mann des bayerischen Landeskriminalamts bei der Rocker-Gang Bandidos eingeschleust worden und habe ein feistes, auch kriminelles Leben mit Bordell und Drogen auf Staatskosten geführt.

Konnte das wahr sein?

Mario Forster, eine bullige Erscheinung mit sächselndem Tonfall, hat ein langes Vorstrafenregister. Untreue, Betrug, gemeinschaftliche Hehlerei. Nachdem er im Dezember 2011 wegen Drogenschmuggels verhaftet worden war, erzählte er dem Gericht die V-Mann-Story. Doch er drang nicht durch. Die LKA-Beamten, die als Zeugen geladen waren, räumten zwar seine V-Mann-Tätigkeit ein. Eine Mitwisserschaft bei kriminellen Aktivitäten stritten sie ab. Dennoch nahm die Kripo Nürnberg Ermittlungen gegen die LKA-Kollegen auf. Für viele Behauptungen von Forster ließen sich tatsächlich Belege finden. Im Revisionsverfahren erreichte sein Anwalt Alexander Schmidtgall eine Strafminderung auf zweieinhalb Jahre. Weniger war nicht möglich, auch weil das bayerische Innenministerium die V-Mann-Akte mit einem Sperrvermerk belegte und so für die Verteidigung blockierte. Was sollte vertuscht werden?

Seit März dieses Jahres tritt der 51-jährige Mario Forster nun als Nebenkläger in einem Verfahren gegen sechs LKA-Beamte auf. Ihnen werden Strafvereitlung, Diebstahl in mittelbarer Täterschaft und Falschaussagen vorgeworfen. Offensichtlich ist: LKA-Leute haben Forsters V-Mann-Akten frisiert, um eigene Verwicklungen zu verbergen. Die Staatsanwaltschaft fordert zweieinhalb Jahre Haft für den Hauptangeklagten Norbert K., das Urteil des Landgerichts Nürnberg wird Ende Juli erwartet.

Wir treffen uns in einem Hotel in Bayreuth, viele Hundert Kilometer von Ihrem Wohnort entfernt. Wo der liegt, wollen Sie nicht verraten. Sie lassen sich nur von hinten fotografieren. Wovor fürchten Sie sich?

Ich bin schlicht vorsichtig. Aber Bayreuth passt gut zu meinem früheren Leben. Hier habe ich vor vielen Jahren gewohnt, mit Aussicht bis zum Festspielgelände (lacht).

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Sie saßen hier in Haft.

Drei Jahre für eine Betrugssache.

Wie sind Sie V-Mann geworden?

Als ich 2006 wegen dieses Betrugs geschnappt wurde, wollten meine Komplizen mir die Schuld in die Schuhe schieben. Da hat mein Anwalt einen Kontakt zum bayerischen LKA hergestellt, und ich habe ausgepackt. Ein Beamter meinte, ich könne mich ja nach der Haft mal melden.

Also haben Sie einfach angerufen?

Nach der Entlassung im Februar 2009 habe ich denen eine Mail geschickt. Daraufhin meldeten sich zwei LKA-Beamte aus Nürnberg, einer stellte sich als "Albert" vor, der andere als "Norbert". Wir haben uns auf einem Autobahnrastplatz getroffen, ich habe denen erzählt, dass ich in der Haftzeit von geplanten Straftaten erfahren hatte. Darauf waren die ganz scharf. Norbert K. wurde von da an mein V-Mann-Führer.

Was war Ihr erster Einsatz?

Ein Holländer im Knast hatte ein größeres Ding geplant, es ging um Hunderte Kilo Haschisch, die nach München geliefert werden sollten. Vor dessen Entlassung verständigte mich Norbert K.: Ich solle am Gefängnistor warten und beim Holländer auf gut Freund machen. Also habe ich ihn mit meinem Auto abgeholt und zu ihm ins niederländische Alkmaar gefahren. Bei einem Zwischenstopp am Autohof Geiselwind an der A 3 hat mir Norbert K. auf der Toilette 300 Euro für die Fahrkosten zugesteckt.

Wurden die Täter später verhaftet?

Dazu kam es nicht. Das Geschäft wurde wochenlang vorbereitet, ich habe sogar ein Speditionsunternehmen für den Transport gegründet, alles mit Wissen des LKA, aber Norbert K. hat mich dann zurückgepfiffen. Du fährst nicht mehr nach Holland, hat er gesagt. Wenn sie dich dort schnappen, können wir nichts für dich tun.

Wie ging es weiter?

Mit ein paar kleineren Aufträgen: umhören im Milieu, so was. Dann habe ich einen Nachtclub in Amberg übernommen. Norbert K. hat ein paar Strippen für mich gezogen, weil ich wegen der Bewährungsauflagen keine Genehmigung bekommen hätte. Das war ein abgehalfterter Kabarett-Laden mit einer Stange zum Tanzen, na ja, ich hab trotzdem das große Geld gewittert und ein paar Frauen aus Ungarn besorgt. Es gab nicht eine einzige Razzia in der Zeit. In dieser Hinsicht konnte ich mich auf das LKA verlassen. Aber obwohl ich mit Prostitution zu günstigen Preisen warb und das LKA mir die Polizei vom Leib hielt, war der Schuppen nicht zu retten.

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Wie sind Sie an die Bandidos geraten?

Mein erster Kontakt war eine Kneipenbekanntschaft. Ich hab an einer Bar einen Member des Motorradklubs kennengelernt, wir haben uns zwei, drei Stunden unterhalten und ganz gut verstanden. Das habe ich Norbert K. berichtet, und der drängte, da solle ich unbedingt dranbleiben. Ich habe mich also weiter mit dem Typen getroffen, meist stundenlang vor Geldspielautomaten. Irgendwann hat er mich zum Tag der offenen Tür der Bandidos in Regensburg eingeladen.

Rocker veranstalten "Tage der offenen Tür"?

Einmal im Monat konnte da jeder hin. Eigentlich ist diese Rockerszene nicht meine Welt, dieses martialische Gehabe, aber ich habe mitgespielt. Ab Oktober 2010 bin ich regelmäßig ins Klubhaus gegangen und auch mit dem Präsidenten des Chapter, Ralf Kramm, in Kontakt gekommen.

Wie lautete Ihr Auftrag?

Ich sollte berichten, wer sich mit wem trifft, was die so reden. Stichhaltiges ist da aber nicht rübergekommen. Ich habe Norbert K. gesagt: Mit Bierzapfen allein haut das nicht hin. Wenn die mir vertrauen sollen, muss man richtig einsteigen. Und da gibt es nur drei Tätigkeitsfelder: Drogen, Nutten, Waffen.

Worauf haben Sie sich spezialisiert?

Da ich ja zuvor den Nachtclub hatte, lag die Idee nahe, damit zu prahlen, ich könne Frauen besorgen. Alle Rockerklubs haben Probleme, Prostituierte für ihre Bordelle zu finden. So wurde ich schnell rumgereicht, vom Präsidenten Kramm in Regensburg zum Präsidenten in Oberhausen. Das Problem war nur: Ich hatte keine Nutten an der Hand. In Absprache mit Norbert K. habe ich in tschechischen Tageszeitungen Annoncen aufgegeben: Suche Mädchen für Nachtclubs. Tatsächlich haben sich immer einige Frauen gemeldet, die habe ich ab geholt und nach Deutschland gebracht.

Unterlagen des bayerischen Landeskriminalamts zeigen, dass der Staat das Anwerben der Prostituierten bezahlte. Wofür kam das LKA noch auf?

Ich war "Prospect", also Anwärter, bei den Bandidos. Für die ist Harley fahren Pflicht. Also hat das LKA bei einem Münchner Händler eine Harley für mich gekauft, für 14.000 Euro – ich war beim Abholen dabei. Zudem wurde ein Wagen bei Sixt angemietet, eine Mercedes C-Klasse. Ich erhielt auch eine Tankkarte, die über die LKA-Kostenstelle lief.

Und wofür bitte das?

Zeitweise war ich eine Art Privatchauffeur für Kramm, den Bandidos-Boss aus Regensburg. Ein Fulltime-Job. Immerzu gab es irgendwo ein Member-Treffen. Als wir den Wagen zurückgeben mussten, waren 19.000 Euro Nachzahlung fällig, weil die Kilometerpauschale weit überschritten war. Das LKA hat einen Rabatt rausgeschlagen. Der nächste Wagen, eine E-Klasse 220 cdi, wurde bei Mercedes geleast. Aber auch da war am Ende der Kilometerstand viel zu hoch. Ich habe Norbert K. vorgeschlagen, den Tachometer zurückzudrehen. Das haben wir dann gemacht. Hat bei einer Werkstatt der Bandidos 700 Euro gekostet. So musste Norbert K. seinen Leuten nicht wieder eine Nachzahlung erklären.

In einer internen Mail beschwert sich einer Ihrer LKA-Kontakte über die Lohnkosten Ihres Einsatzes, sie stünden in keinem Verhältnis zum Ertrag. Pro Monat 6000 bis 10.000 Euro – wofür wurden Sie so fürstlich bezahlt?

Ich hatte mit Norbert K. feste Stundensätze vereinbart: 15 Euro, wenn ich allein fürs LKA unterwegs war – zum Beispiel bei den Fahrten nach Tschechien. 30 Euro, wenn ein Bandido dabei war. Plus Spesen. Bei einer Tour nach Tunesien, wo wir antike Münzen ankaufen sollten, habe ich sogar einen Hitzeaufschlag rausgeschlagen.

Wie wurde das Geld ausbezahlt?

Immer cash in kleineren Summen von 800 oder 1000 Euro. Meist fand die Geldübergabe auf Rastplätzen und Autohöfen statt.

Wie lief die Kommunikation zwischen Ihnen und dem LKA?

Ich habe Norbert K. regelmäßig Mails geschrieben. Für heikle Informationen, von denen auch im LKA nicht jeder etwas mitbekommen sollte, hat K. mir später das Passwort für eine private Mailadresse gegeben. Verabredet war, Infos nicht zu versenden, sondern nur im Ordner für Entwürfe abzulegen. So konnte man sie nach dem Lesen löschen, ohne dass sich dies nachvollziehen ließ. Wer eine Nachricht deponiert hatte, schickte dem anderen eine SMS mit der Zeile: "Alter Mallorquiner, wie geht's Dir?"

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Waren Sie denn erfolgreich? Wurden Bandidos verhaftet?

Nicht, während ich involviert war. Das hat mich ja auch gewundert! Ich habe sicher ein Dutzend Mal von geplanten Drogengeschäften berichtet, aber es ist nie etwas passiert – zumindest nicht, soweit ich das überblicken konnte.

Sollten Sie heimlich mit dem Handy filmen oder Tonmitschnitte machen?

Nein, ich sollte nur Augen und Ohren offenhalten.

Aus den Akten ergibt sich, dass Sie schwer zu steuern waren. Immer wieder fielen Sie der Polizei oder dem Zoll unangenehm auf.

Ich war beauftragt, mich an Straftaten zu beteiligen. Da kommt es zwangsläufig zu Kontakten mit der Polizei. Aber ich bin auch ziemlich überheblich aufgetreten, vor allem wenn ich mit der lokalen Polizei zu tun bekam. Ihr könnt mir gar nichts, habe ich denen gesagt, ich bin im Staatsauftrag unterwegs. Einmal bin ich mit drei Prostituierten an der Grenze aufgegriffen worden, eine hatte keine Papiere. Da habe ich das Handy gezückt, Norbert K. angerufen und das Gerät an die Beamten weitergereicht. Schon waren die Probleme vom Tisch. Wenn was danebengeht, zieh den Joker, hatte Norbert K. gesagt. Das habe ich halt gemacht.

Wurden Sie nie zurechtgewiesen?

Natürlich habe ich mal einen Einlauf bekommen. Als ich in Österreich geblitzt wurde, war Norbert K. richtig sauer, weil er Bußgelder aus dem Ausland intern nicht abrechnen konnte. Er hat mir die Kosten schließlich privat und über das Konto seiner Frau, einer bayerischen Landtagsabgeordneten, erstattet, damit es in der Akte keinen offiziellen Vorgang gab. Aber ansonsten waren die zahm. Die waren glücklich, dass sie überhaupt mal einen bei den Rockern drinhatten.

Den "Joker" zogen Sie auch, als Sie im September 2011 mit geklauten Kleinbaggern aufgegriffen wurden ...

Die Bandidos in Regensburg hatten über einen befreundeten dänischen Klub Wind von einer Baufirma bekommen, die abgewickelt werden sollte. Ich habe einen Tieflader besorgt, und wir sind mit drei Lkws rauf in den Norden und haben an einem Sonntagnachmittag drei Mini-Bagger verladen. Sie sollten in den Kosovo verschoben werden. Allerdings waren an den Baggern noch Peilsender der Baufirma aktiv. Ich habe es bis in die Oberpfalz geschafft und saß gerade auf dem Autohof Wernberg-Köblitz bei Spaghetti Bolognese, als plötzlich überall Polizeifahrzeuge auftauchten. Ich habe sofort Norbert K. angerufen. Der meinte: Geh hin. Zieh den Joker!

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Sie sind nicht verhaftet worden?

Die haben mir zuerst Handschellen angelegt. Ich habe meinen Spruch mit dem Staatsauftrag aufgesagt. Nach dem Anruf bei Norbert K. haben sie mich laufen lassen. Später, bei einer Vernehmung, habe ich die Aussage verweigert. Die Staats anwaltschaft hat dann das Verfahren mit der Begründung eingestellt, ich sei als unwissender Fahrer engagiert worden.

Wenig später wurden Sie schon wieder erwischt – mit 9,7 Gramm Crystal Meth, versteckt in Ihrer Unterhose.

Das war Faulheit, Blödheit. Ich sollte das Zeug für Bandidos-Präsident Kramm in Tschechien abholen. Norbert K. hatte mir geraten, Drogen nie am Körper, sondern außen am Auto versteckt zu transportieren – etwa hinterm Tankdeckel. So konnte man sagen, der Stoff sei einem untergeschoben worden.

Stattdessen mussten Sie schon wieder Ihren LKA-Joker ziehen?

Norbert K. war stinksauer. Langsam wurde die Sache ohnehin zu heiß. Auch die Bandidos waren stutzig geworden, warum ich ständig verhaftet wurde, aber nie etwas passierte. Ich habe K. auf ein Zeugenschutzprogramm angesprochen, aber er ist darauf nicht eingegangen.

Am 11. Dezember 2011 wurde ein Haftbefehl gegen Sie ausgestellt.

Ich war gerade bei meiner Mutter zu Besuch, als sie kamen und mich mitnahmen. Ich bin völlig ruhig geblieben, habe gedacht: Ich sitze ein bisschen ein, das ist gut für die Tarnung, und dann lassen die mich wieder laufen.

Aber es kam anders.

Als Norbert K. mich in Untersuchungshaft besuchte, habe ich sogar vorgeschlagen, mich mal ein bisschen aus dem Verkehr zu nehmen. Die Zeit in Haft wollte ich mir vom LKA bezahlen lassen – 380 Euro pro Tag habe ich gefordert. Aber das LKA hat abgelehnt. Mir wurden 50 Euro auf mein Haftkonto eingezahlt für Zigaretten und so. Das war's. Von da an hatte ich keinen Joker mehr, sondern nur noch Langeweile im Knast.

*Heute trägt er einen anderen Namen

Der Artikel über den ehemaligen V-Mann ist dem aktuellen stern entnommen:

stern Nr. 30/2018

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STERN Nr. 30/18

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